Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Kohledeputat

Am 28.04.2020 wurden uns 80 Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichtes zugestellt. Die Verfassungsbeschwerden wurden nicht zur Entscheidung angenommen, da die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Die Tarifvertragsparteien hatten im Jahr 2015 vereinbart, dass die betriebliche Altersversorgung der Bergleute von Kohle in Energiebeihilfe umgewandelt wird. Der Marktwert von Kohlen liegt bei etwa 450,00 € pro Tonne, die Energiebeihilfe bei 122,20 € pro Tonne Bezugsrecht.


Die Tarifvertragsparteien haben beschlossen, dass diese Ersatzleistung trotzdem gleichwertig sei. Das Bundesverfassungsgericht hat dies gebilligt und damit festgestellt, dass die Tarifvertragsparteien selbst, also subjektiv, festlegen können, ob eine Leistung gleichwertig ist, selbst, wenn sie es objektiv nicht ist.


Zudem hätten die Bergleute sich nicht auf Vertrauensschutz berufen können, da sie mit der Einstellung der Produktion rechnen hätten müssen. Allerdings wurde in den Tarifverträgen eine Sicherungsklausel aufgenommen, die regelte, dass selbst bei Stilllegung eines Unternehmens, das bei Stilllegung ja keine Zechen mehr hat, die Ansprüche sicherzustellen seien. Die Arbeitsgerichte argumentierten, dass dies aber nicht dann gelten kann, wenn alle Unternehmen schließen. Allerdings wurde die Klausel aufgenommen, als die Stilllegung der Steinkohle längst beschlossene Sache war und es nur noch zwei kohlefördernde Unternehmen gab. Genau für den Fall sollten die Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge also sichergestellt werden. Verkannt wird hier, dass es sich um Altersvorsorge handelt und daher eine Sicherungspflicht aufgenommen worden ist. Es ging eben nicht mehr nur um Teilhabe am Produktionsergebnis. Die Altersvorsorge wird entwertet.


Vertrauensschutz soll auch deshalb entfallen, weil die Tarifvertragsparteien einen Änderungsvorbehalt aufgenommen hätten, sich also vorbehalten haben, die Regelungen noch einmal zu ändern. Allerdings unterliegt jeder Tarifvertrag einem Änderungsvorbehalt, so dass es nicht mehr möglich wäre, überhaupt Vertrauensschutz auf tarifliche Regelungen zu stützen. Im Ergebnis wird der Deputatanspruch damit entwertet. Dies sei, so dass Bundesverfassungsgericht, aber mit Blick auf die Tarifautonomie aus Art 9 III GG nicht zu beanstanden. Es stellt sich dann allerdings die Frage, was diese Gewerkschaft IG BCE veranlasst haben könnte, einen – wenn auch ggf. zulässigen – verschlechternden Tarifvertrag zu schließen. Der IG BCE ist ja bestens bekannt, dass auf Tariflohnerhöhungen verzichtet wurde, um den Kohleanspruch zu sichern und viele Betriebsrentner durch die jetzt selbst auf dem Weltmarkt zu beschaffenen Kohlen erheblich finanziell belastet werden.


Wir werden im Wege einer Anhörungsrüge auf diese Punkte das Bundesverfassungsgericht noch einmal hinweisen, denn unsere umfangreichen Ausführungen (im Rahmen der 80 Verfassungsbeschwerden mit Anlagen etwa 64.000 Seiten) wurden mit teilweise allgemein gehaltenen Formulierungen übergangen. Sollte dies nicht helfen, werden wir Rechtsmittel vor den europäischen Gerichtshöfen prüfen. Zudem werden wir die Kosten für die nun erforderliche Umrüstung des Heizungssystems, gestützt auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, geltend machen.


Erfreulich ist allerdings, dass die Arbeitsgerichte erkannt haben, dass alle Anspruchsberechtigten, also etwa 127.000 ehemalige Mitarbeiter, Anspruch auf rund 10 % mehr Abfindung haben. Zudem haben jetzt grundsätzlich auch alle Arbeitnehmer Anspruch auf eine Abfindung, die nach dem 01.07.1982 angefangen haben bei der RAG zu arbeiten. Diese „Stichtagsbetroffenen“ wurden ebenfalls im Rahmen eines Änderungstarifvertrages dank ihrer Gewerkschaft geschädigt und die Abfindungen gleich auf Null gesetzt. Das haben die Arbeitsgerichte nicht gebilligt. Wir gehen davon aus, dass zahlreiche Betroffene damit Anspruch auf anteilige Abfindung (Beträge von etwa 500,00 € bis 4.000,00 €) haben. Die Gewerkschaft sieht aber offenbar auch hier keine Veranlassung nachzubessern, obwohl zu diesen Punkten bereits rechtskräftige Entscheidungen vorliegen. Die RAG verweist auf den Klageweg und zahlt nur, wenn geklagt wird. Wir bereiten daher etwa 300 neue Stichtagsklagen vor. 

Die IG BCE hat im WDR-Interview

https://www.facebook.com/361949577195634/videos/393051841449807/?v=393051841449807

sogar ausdrücklich gefordert, dass die RAG, die zeitweise 15 % mehr Abfindung im Vergleichswege anbot, diese nicht den Bergleuten zahlt, da ihre Lösung richtig sei. Verschiedene Medien hatten darüber berichtet, dass alleine die 10 % mehr Abfindung für alle Anspruchsberechtigten und die Zusatzbeträge für die Stichtagsabfindungszahlungen sich auf Summen von etwa 80 Millionen Euro belaufen. Die Ersparnis im Zuge der Umwandlung von Kohle auf Energiebeihilfe (rund 10.000 Empfänger) ist in der Berechnung noch nicht enthalten. Dafür laufen aber wohl die Geschäfte bei dem Unternehmen Vivawest, an der die RAG und die IGB CE (Treuhandgesellschaft) beteiligt sind, offenbar hervorragend.

Die Tarifautonomie ist ein hohes Gut. Umso wichtiger ist es dann aber, verantwortungsvolle Akteure zu haben, die die Interessen ihrer Mitglieder und nicht ihre eigenen Interessen vertreten.

Hintergrund des Rechtsstreites:

An die Kanzlei sind zahlreiche Mitarbeiter und ehemalige Mitarbeiter der RAG herangetreten. Hintergrund ist die Entscheidung der RAG mit den Zechenschließungen auch die Kohlelieferung für Betriebsrentner einzustellen, obwohl die Kohlehalden voll sind und vergleichbare Kohlen importiert werden könnte. Die Energiebeihilfen werden geändert und Rentner sollen einmalig abgefunden werden. Das hört sich auf ersten Blick in Hinsicht auf die Beendigung des Steinkohlenbergbaus plausibel an. Ist es aber nicht. Denn im Ergebnis sind die Änderungen mit drastischen Kürzungen der Leistungen, insbesondere mit dem Wegfall des Kohledeputates verbunden. Die Abfindung entspricht nicht dem Gegenwert des lebenslangen Kohlewertes, wie viele unsere Mandanten empfinden. Und dies ist juristisch problematisch insbesondere bei den Rentnern. Den Beschäftigten wurde nämlich zugesichert, dass Sie bis zum Lebensende und bis zum Lebensende des überlebenden Ehegattens die betriebliche Altersrente in Form von Kohle oder ersatzweise Energiebeihilfe bekommen.
Ein konkretes Beispiel: Eine 69-jährige Rentnerin aus Marl hat bislang jährlich ca. 370 Euro Energiebeihilfe erhalten. Jetzt ist sie mit etwa 2105 Euro abgefunden worden. Die Summe entspricht also einer Bezugsdauer von knapp sechs Jahren. Im siebten Jahr müsste die Rentnerin ihre Energierechnung ohne Zuschuss begleichen. Und so haben das die alten Tarifverträge nicht vorgesehen. Ob ein solcher Eingriff in die Betriebsrenten zulässig ist, ist zweifelhaft.


Noch erheblicher sind die finanziellen Auswirkungen bei Kohledeputatbeziehern, da mit erheblichen Kostensteigerungen auf dem Kohleweltmarkt nach unseren Informationen zu rechnen ist. Die Abfindung der RAG deckt den Nachteil nicht ansatzweise, da in der Regel auch noch ein neuer Ofen angeschafft werden muss. Als Betriebsrenten sind die Ansprüche grundsätzlich geschützt. Eine Umwandlung der Kohle in Energiebeihilfe wäre nach unserer Meinung daher nur gerecht, wenn die Energiebeihilfe gleichwertig wäre. Dies wird von unseren Mandanten bestritten, da der Wert der Energiebeihilfe seit 1992 nicht mehr dem Kohlenpreis angepasst worden ist. Ein von dem Tarifexperten Prof. Dr. Gregor Thüsing eingeholtes Rechtsgutachten bestätigt unsere Auffassung. Die Energiebeihilfe beläuft sich an der Ruhr auf rund 122 Euro. Eine Tonne Anthrazitkohle liegt nach einer Auskunft des Verbandes der Kohlenimporteure aber bei aktuell rund 400 Euro und soll nach unserer Information ab 2018 auf 500 Euro steigen.


Wegen unseres erfolgreichen Vorgehens gegen die RAG im Zusammenhang mit anderen Verfahren, auch vor dem Bundesarbeitsgericht, wurden uns schon zahlreiche Mandate übertragen. Wir wurden von unseren Mandanten damit beauftragt, die Ansprüche gegen die RAG durchzusetzen, weil sie sich ihre betriebliche Altersversorgung, für die sie ihr ganzes Erwerbsleben lang gearbeitet haben, nicht nehmen lassen wollen.


Die unteren Instanzen haben die Klagen auf Weitergewährung von Kohle nach 2018 abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht Hamm hat Berufungen gegen die erstinstanzlichen Urteile zurückgewiesen. Daher sind diverse Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht anhängig. Wir sind hier fest entschlossen notfalls auch das Bundesverfassungsgericht zu bemühen. Von den Landesarbeitsgerichten Saarbrücken und Düsseldorf gibt es allerdings noch keine Entscheidungen. Wir prüfen aktuell, ob unseren Mandaten nicht zumindest ein Ansprüche auf einen Zuschuss für ein neues Heizungssystem zusteht. Des Weiteren wird geklärt, ob auch die nichttariflichen Ansprüche auf verbilligte Kohlen zum Landabsatzpreis ersatzlos gestrichen werden können.


Erfolgreicher sieht es bei den Klagen gegen die Abfindung der Energiebeihilfen durch (zu geringe) Einmalzahlungen aus. Hier konnten wir durch versicherungsmathematische Fachgutachen Berechnungsfehler nachweisen, die in vielen Fällen Nachzahlungsansprüche begründen könnten. Das Landesarbeitsgericht Hamm kam zu der Erkenntnis, dass die Abfindungen Die Tarifvertragsparteien haben sich dazu bereit erklärt, diese Punkte zu prüfen.