Kein Kohledeputat aber höhere Abfindungen

Wir haben uns für zahlreiche aktive Bergleute und Bergbaurentner für den Erhalt des Kohledeputats eingesetzt. Das Kohledeputat war fester Bestandteil der Vergütung. Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass es sich hierbei um eine echte betriebliche Altersvorsorge handelt. Altersvorsorge ist nach dem Betriebsrentengesetz (BetrAVG) besonders geschützt. Einseitig kann ein Arbeitgeber Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge in der Regel nicht entziehen. Selbst durch Tarifvertrag sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes Eingriffe in die geschützten Anwartschaften nur möglich, wenn es sich um geringfügige und verhältnismäßige Eingriffe handelt.

Die einzige Chance der RAG, überhaupt einen relevanten Eingriff vornehmen zu können, war daher, mit der IG BCE eine Regelung zu finden. Da der Steinkohlenbergbau zum Ende des Jahres 2018 eingestellt worden ist, haben die Tarifvertragsparteien (Gesamtverband Steinkohle e.V. und IG BCE) geregelt, dass das Kohledeputat in eine Energiebeihilfe umgewandelt wird. Problematisch ist, dass der Wert der Energiebeihilfe weder dem Markt-, noch dem Produktionswert entspricht (Energiebeihilfe für jede Tonne Kohle = 122,00 EUR beim rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau und Ibbenbürener Steinkohlenbergbau; 116,00 EUR beim Steinkohlenbergbau des Saarlandes). Eine Tonne Kohle liegt wertmäßig allerdings zwischen 350,00 EUR und 500,00 EUR.

Die Gerichte haben diese Umwandlung für einen geringfügigen Eingriff gehalten. Die Kohledeputatempfänger sollten wertmäßig nämlich nicht besser stehen, als die Energiebeihilfebezieher, – es sollte schließlich nur ein Stück der eigenen Produktion weitergegeben werden – so dass nur der Produktionspreis, nicht aber der Marktpreis gezahlt werden müsse. Übersehen wird hierbei aber, dass der Produktionspreis über dem Marktpreis liegt. Wegen dieses wettbewerbsrechtlichen Problems erhielt die RAG ja schließlich Subventionen. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes sei auch nicht verletzt, weil trotz einer Sicherungsklausel im Tarifvertrag (alle Ansprüche aus dem Tarifvertrag sind selbst bei Schließung der Zechen sicherzustellen) mit der Einstellung der Kohleförderung in ganz Deutschland hätte gerechnet werden müssen. Die Tarifvertragsparteien hätten schließlich auch einen weiten Ermessensspielraum. Einer diesbezüglichen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm (Spezialkammer für betriebliche Altersvorsorge) folgten argumentativ alle anderen Gerichte. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde leider nicht zugelassen. Das Bundesarbeitsgericht argumentierte auf unsere Nichtzulassungsbeschwerde, dass die relevanten Rechtsfragen keine „grundsätzliche Bedeutung“ hätten, so dass kein Grund für die Zulassung der Revision vorläge. Tatsächlich wissen wir durch eine parlamentarische Anfrage der Grünen an die Bundesregierung, die eine Stellungnahme der RAG einholte, dass von der Regelung über 127.000 ehemalige Arbeitnehmer alleine des Steinkohlenbergbaus betroffen sind. Da wir die rechtlichen Möglichkeiten unserer Mandanten ausschöpfen wollten, haben wir wegen des Eingriffs in die betriebliche Altersvorsorge (Eigentumsgleiches Recht) mehrere, insgesamt zigtausend Seiten umfassende, Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht eingelegt. Das Bundesverfassungsgericht hielt die Regelung aufgrund der Zustimmung der IG BCE für noch verhältnismäßig und wegen der Stilllegung des Bergbaus auch für angemessen. Die Auffassung der Arbeitsgerichte sei eine von mehreren vertretbaren Meinungen. Eine Verletzung des Verfassungsrechtes sei aber erst anzunehmen, wenn die Arbeitsgerichte eine nicht mehr vertretbare Meinung hätten. Die Verfassungsbeschwerden wurden daher nicht zur Entscheidung angenommen. Wir halten die gesamte Rechtsprechung nach wie vor für falsch, unvertretbar und verfassungswidrig. Es handelt sich nämlich offensichtlich um keinen geringfügigen Eingriff, sondern um einen massiven Eingriff in die betriebliche Altersvorsorge der Bergleute. Die betriebliche Altersvorsorge wird durch die Umstellung auf Energiebeihilfe faktisch entwertet und führt dazu, dass viele Betroffene ihr Heizungssystem umstellen müssen. Zum Teil hatte die RAG sogar noch im Jahr 2013 kostenlose Darlehen für die Anschaffung eines Kohleofens für Deputatberechtigte angeboten. Da die Ergebnisse seitens der Bergleute als schweres Unrecht empfunden werden, erlangten auch diese Prozesse eine erhebliche mediale Aufmerksamkeit. Wir wollen an dieser Stelle nicht bewerten, wie eine Gewerkschaft einen so nachteiligen Tarifvertrag „verhandeln“ kann. Jedenfalls führte dies ausweislich diverser Zeitungsartikel sogar zu Protesten vor der IG BCE in Hannover (Bergleute protestieren vor Gewerkschaft). Soweit uns bekannt, ist dies ein einmaliger Vorgang in der gesamten gewerkschaftlichen Geschichte. In einigen Fällen haben wir Beschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen rechtswidrigen Eingriffs in das Eigentum eingelegt. Ganz geklärt ist die Sache daher noch nicht.

Welche Folgen ergaben sich zugunsten der Bergleute aufgrund unserer Klagen?

Energiebeihilfe als Einmalzahlung

In dem skandalösen Tarifvertrag ist nicht nur geregelt, dass das Kohledeputat in eine Energiebeihilfe umgewandelt wird, es wurde auch geregelt, dass mit dem jeweiligen Eintritt in die Altersrente die Energiebeihilfe als Einmalzahlung abgefunden wird. Hierbei hat man sich allerdings nicht am hypothetischen Lebensende der Arbeitnehmer orientiert, sondern, mit diversen Abschlägen und überzogenen Abzinsungen, die Abfindungen zugunsten der RAG kleingerechnet.

Auch hiergegen sind wir vorgegangen. 

Die meisten Abschläge haben die Arbeitsgerichte gebilligt, weil die Tarifvertragsparteien einen verfassungsrechtlich garantierten Ermessenspielraum hätten. Allerdings haben die Tarifvertragsparteien es auch hier übertrieben und von der ohnehin schon kleingerechneten Abfindung noch einmal einen Liquiditätsabschlag vorgenommen, weil die RAG angeblich nicht genug Rücklagen gebildet habe. Das ist schon bemerkenswert, weil Teil der Subventionsberechnungen auch die Deputatleistungen gewesen sind. Die Arbeitsgerichte haben dieses Argument auch nicht akzeptiert und festgestellt, dass alle rund 127.000 betroffenen Hausbrandempfänger einen Anspruch auf eine rund 10 % höhere Abfindung haben. Obwohl die Beträge für den Einzelnen überschaubar sind, handelt es sich in der Summe um Abfindungsbeträge in Millionenhöhe. Mit der Geltendmachung der weiteren Abfindung haben uns daher bereits hunderte Arbeitnehmer beauftragt. Die Verfahren werden vor den Arbeitsgerichten Essen und Rheine geführt. In der II. Instanz sind die Landesarbeitsgerichte Hamm und Düsseldorf zuständig. Dieses Massenverfahren wird bei uns als sogenanntes „10-Prozent-Verfahren“ geführt.

Abfindungen für „Stichtagsbetroffene“

Wesentlich höhere Abfindungsbeträge erhalten diejenigen, die nach dem 01.07.1982 bei der RAG angefangen haben. Diese Personengruppe sollte nach Vorstellungen der IG BCE gar keine Abfindung mehr erhalten. Da „gar nichts“ sehr wenig ist, hat das Landesarbeitsgericht diese Regelung für unverhältnismäßig und damit für unwirksam erklärt, trotz des verfassungsrechtlich garantierten Gestaltungsspielraums der Tarifvertragsparteien. Nach unseren Informationen sind von dieser Regelung rund 10.000 Arbeitnehmer betroffen. Insgesamt hatte die „Klageflut“ gegen die RAG zur Folge, dass Anspruch auf geschätzte 80.000.000,00 EUR mehr Abfindung besteht, die wir für die Bergleute erstritten haben bzw. erstreiten können. Auch diese gigantischen Auswirkungen der Verfahren im Kampf um das Kohledeputat wurden von den Medien regelmäßig aufgenommen. 

Wenn Sie sich dem diesbezüglichen Massenverfahren anschließen wollen, teilen Sie unserem Sekretariat bitte mit, dass Sie „Stichtagsbetroffener“ sind. Wir prüfen dann, ob Sie tatsächlich anspruchsberechtigt sind und in welcher Höhe Ihnen ein Anspruch zusteht.

Die Kosten übernimmt in der Regel Ihre Rechtsschutzversicherung.

Nach großem Widerstand hat nun auch die IG BCE einigen Mitgliedern über den DGB-Rechtsschutz Kostenzusage erteilt. Ob ein Vorgehen mit der IG BCE gegen den Tarifvertrag gegen den „Tarifvertrag der IG BCE“ sinnvoll ist, wollen wir an dieser Stelle nicht bewerten.

Heizungsumrüstung

Die Bergleute, denen das Kohledeputat abgesprochen wurde und die jetzt ihr Heizungssystem umrüsten müssen, verlangen von der RAG die Übernahme der entsprechenden Kosten bzw. die Zahlung eines Zuschusses. Nach unseren Informationen hat die RAG bereits entsprechende Zahlungen zugesagt, dies aber nicht allen Betroffenen. Ein entsprechendes Massenverfahren zur Durchsetzung der entsprechenden Zuschüsse bereiten wir gerade vor.

Wenn Sie sich anschließen möchten, lassen Sie sich von unserem Sekretariat auf die sogenannte „Heizungs-Umrüstungs-Liste“ setzen. Wir prüfen dann – nach vorheriger Einholung einer Kostenzusage bei Ihrer Rechtsschutzversicherung – die Anspruchsvoraussetzungen für Sie.